Die offizielle Inflation: »Sie ist nicht Deine Inflation!«

Inflation ist laut Wikipedia: „… eine allgemeine und anhaltende Erhöhung des Preisniveaus von Gütern und Dienstleistungen (Teuerung), gleichbedeutend mit einer Minderung der Kaufkraft des Geldes“ und kommt aus dem latenischen „… inflatio «Aufblähen», «Anschwellen»“. 

Doch welchen Wert muss man eigentlich für die »allgemeine und anhaltende Erhöhung des Preisniveaus« berücksichtigen? Ein Beispiel aus dem echten Leben soll dies aufzeigen:

»Ich will mir eine Brezel kaufen.« 

Früher, im Jahr 1975, kostete die so um die 0,10 DM
Heute, im Jahr 2020, kostet die so um die 0,70 €

D.h. wollte ich im Jahre 1975 so vorsorgen, dass ich mir 45 Jahre später noch eine Brezel kaufen kann, musste ich mein Geld mit knapp mehr als 6,0 % Zins pro Jahr anlegen. Die »Brezel-Inflation« lag also bei etwa 6,0 %

Es ist also wichtig, bei allen Berechnungen, die in die Zukunft gehen, einen Faktor für die Minderung der Kaufkraft einzubeziehen. Der Klassiker ist hier die Altersvorsorge, denn die wichtigste Frage lautet hier: „Kann ich mir in Zukunft auch das noch leisten, was ich mir heute leisten kann?“.

 

Was wird offiziell zur Berechnung herangezogen?

Hier gibt es verschiedene Indizes, die herangezogen werden können. Während ein Preisindex die Preisentwicklung eines unveränderten Bündels an Waren und Dienstleistungen (»Warenkorb«) misst, erfasst ein Lebenshaltungskostenindex die Entwicklung der minimalen Kosten für den Erwerb eines Bündels von Waren und Dienstleistungen, die den Konsumentinnen und Konsumenten einen konstanten Nutzen bringen. Dieses Bündel an Waren und Dienstleistungen ist nicht fest, sondern variiert je nach Entwicklung der relativen Preise. Die Berechnung eines Lebenshaltungskostenindexes ist aufgrund seiner Definition keine einfache Aufgabe, weshalb sich wohl bislang kein Land daran gewagt hat.

Wie man die Inflation in Deutschland berechnet ist jedoch umstritten. Es gibt darüber nicht nur auf der wissenschaftlichen Ebene Diskussionen.

  • Die Welt sprach am 30.01.2011 über „Die große Augenwischerei mit der Inflation“.
  • Ein Artikel in Focus Money Online vom 14.06.2014 deklarierte: „Die große Inflationslüge: Warum Ihr Geld viel weniger wert ist, als Sie denken. Die offizielle Inflationsrate stimmt hinten und vorne nicht. Warum Politik, Banken und Wissenschaft Nebelkerzen werfen“.
  • Boerse.ARD sprach am 29.11.2017 in „Heimliche Inflation auf Rekordhoch“ davon, dass: „… der offiziellen Statistik einige Ökonomen und Geldexperten schon lange nicht mehr trauen“.

 

Ist die offizielle Inflation schon lange Realitätsverleugnung?

In Deutschland wird die Inflation durch Destatis – das statistische Bundesamt in Deutschland – nach einem definierten Warenkorb ermittelt. Destatis bietet jedoch auch Informationen zum Thema Verbraucherpreisindex.

Da es bis jetzt nicht gelungen ist, einen »echten« Lebenshaltungskostenindex zu produzieren, hat das schweizerische Bundesamt für Statistik (BFS) versucht, seine theoretischen Konzepte einem solchen zumindest anzunähern. So werden seit 2000 der Laspeyres-Kettenindex und das geometrische Mittel verwendet. Während der Laspeyres-Kettenindex alljährlich die Veränderungen der Konsumgewohnheiten der privaten Haushalte erfasst, ermöglicht die Verwendung des geometrischen Mittels die bessere Berücksichtigung allfälliger Substitutionseffekte.

Die Schweizer gewichten also zusätzlich einzelne Warengruppen nach ihrer Kaufhäufigkeit*. Elektroartikel werden so also schwächer gewichtet als Grundnahrungsmittel. Macht ja auch Sinn, denn Grundnahrungsmittel verbraucht man jeden Tag. Elektroartikel kauft man nur ab und zu.

Gemäß Finanzen & More, Ausgabe Februar 2011, lag die Inflationsrate in Deutschland im Dezember 2010 nach der Berechnung der Schweizer bei 5,2%, nach der amtlichen deutschen Berechnung jedoch lediglich bei 1,7 %! Dies ist eine Differenz, die sich über viele Jahre im Zinseszins ziemlich bemerkbar machen würde!


Für ein Individuum ist die allgemeine Statistik wenig wert

Niemand entspricht dem Durchschnitt, auf den sich die allgemeine Statistik bezieht. Jeder hat seine persönliche Inflation, weil jeder einen eigenen Warenkorb und eigene Kaufgewohnheiten hat. Zusätzlich ändern sich diese Faktoren auch über die Zeit in den einzelnen Lebensphasen. 

Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, hat das Destatis auf ihrer Web-Seite für die Berechnung der persönlichen Inflation einen Persönlichen Inflationsrechner zur Verfügung gestellt, der versucht auf das Individuum einzugehen. Hier kann man persönliche Konsumgewohnheiten einstellen, sodass diese hier berechnete Inflationsrate der eigenen Wirklichkeit schon um einiges näher kommt. Je genauer jemand also seine individuellen Ausgaben kennt, umso größer ist die Chance, die persönliche Inflationsrate zu berechnen und den persönlichen Geldbedarf in der Zukunft zu schätzen.

Hierzu müsste man jedoch möglichst ein Haushaltsbuch über ein paar Jahre geführt haben, und zwar so, dass sich die Ausgaben auch automatisch den Klassifikationen von Destatis zuordnen, welche den Berechnungen des Persönlichen Inflationsrechner von Destatis zugrunde liegen. Erst dann sind wirklich auch faktische Grundlagen vorhanden – und die Zahlen müssen nicht einfach aus dem hohlen Bauch geschätzt werden. Denn so eine »emotionale« Schätzung geht mit ziemlicher Sicherheit daneben. 

Man sollte also versuchen, so genau wie möglich zu kalkulieren, dann über die Jahre immer wieder ein Auge darauf haben und gegebenenfalls gegensteuern. Denn die Zukunft lässt sich über viele Jahre sowieso nicht zuverlässig vorhersagenWie uns aktuell u.a. die Nullzinspolitik und Corona gezeigt haben.

* zur Vorgehensweise: Landesindex der Konsumentenpreise, Methodische Grundlagen, Bundesamt für Statistik [BFS], Neuchâtel 2016, S. 9ff

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